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DaMOst

Neuigkeiten - Archiv

03.10.2022

Situation ukrainischer Geflüchteter in ostdeutschen Kommunen

Vertreter*innen der ostdeutschen Kommunalpolitik heben Relevanz zivilgesellschaftlichen Engagements für Geflüchtete aus der Ukraine hervor

Wohnraum, Kitaplätze, Integration: Bei einer von DaMOst am 14. September 2022 veranstalteten Online-Podiumsdiskussion ging es um die aktuellen Herausforderungen in den ostdeutschen Städten Greifswald, Halle, Leipzig, Weimar und Wismar in Sachen Geflüchtetenhilfe. Anwesend waren politische Vertreter*innen der jeweiligen Städte, darunter auch der Bürgermeister von Weimar, Ralf Kirsten.

In der zweistündigen und von Nursemin Sönmez souverän moderierten Podiumsdiskussion zeigte sich: Herausforderungen und Herangehensweisen der Städte sind sehr unterschiedlich, zivilgesellschaftliches Engagement ist jedoch überall unerlässlich.

Herausforderung Unterbringung

Mit Ausnahme von Halle berichteten alle städtischen Vertreter*innen von einer sehr angespannten Wohnraumsituation. Unterstützung der Bevölkerung war vielerorts dringend nötig. In Leipzig etwa, wo „Tausende in einer Nacht“ ankamen, wie Manuela Andrich, Referatsleiterin und Beauftragte für Migration und Integration des Bürgermeisteramts Leipzig berichtete, wurden 90 Prozent der insgesamt rund 10.000 Geflüchteten zunächst in privaten Haushalten untergebracht und nur zehn Prozent in kommunalen Unterkünften. Besonders betonte Andrich die Arbeit des Vereins Leipzig helps Ukraine e.V., der sofort eine Wohnungsbörse einrichtete.

In Greifswald, so berichtete Integrationsbeauftragte Anna Gatzke, suchte die Stadt eine Kooperation mit der städtischen Wohnungsgesellschaft. Dies und das Entgegenkommen privater Vermietender sorgten für ausreichend Wohnraum für die bisher rund 1.000 Geflüchteten aus der Ukraine.
In Weimar half die große Hilfsbereitschaft von Hotels bei der ersten Unterbringung. Selbst in Halle, wo die rund 4.000 Geflüchteten laut Oliver Paulsen, Leiter des Dienstleistungszentrums Integration und Demokratie der Stadt, auf einen „entspannten Wohnungsmarkt“ stießen und es kurzfristige Vereinbarungen mit städtischen Wohnungsunternehmen gab, war die Hilfe der Zivilgesellschaft für die ersten Tage und Wochen bei der Unterbringung und Einrichtung von Wohnungen (Möbelbörsen) unerlässlich.

Zu wenig Kitaplätze, zu wenig Lehrkräfte

Da die Mehrheit der Geflüchteten Frauen und Kinder sind, spielen Kita- und Schulplätze eine besonders große Rolle – sowohl für die Integration der Kinder als auch die der Eltern. Doch Kitaplätze waren und sind in allen Kommunen knapp. Leipzig hat darum zwei zusätzliche Kitas eröffnet. Außer aus Wismar berichteten alle eingeladenen Kommunalvertreter*innen von langen Wartezeiten und rieten zu einer möglichst frühen Anmeldung.

Dem Schulbesuch der geflüchteten Kinder wiederum steht in Greifwald, Leipzig, Halle und Wismar ein Mangel an Lehrkräften gegenüber. Darum würden in Greifswald Geflüchtete, die in ihrer Heimat als Lehrkräfte gearbeitet hatten, Aushilfsstellen in Schulen angeboten.

Ähnliches berichtete Frau Andrich aus Leipzig. Gerade das sei jedoch in Halle bisher nicht möglich, berichtete Herr Paulsen, da die Ausbildung und Einstellung von Lehrkräften Landessache sei und die Stadt darauf keinen Einfluss nehmen könne. Dafür habe die Stadt schnell Sprachkurse mit Kinderbetreuung eingerichtet. Petra Steffan, die Gleichstellungsbeauftragte der Hansestadt Wismar, forderte von der Politik die Einstellung von mehr Lehrkräften.

Vorbild Weimar: Alles an einem Ort

Als vorbildlich genannt wurde die Stadtverwaltung von Weimar, die kurzerhand Ausländerbehörde, Gesundheitsamt, Krankenversicherung sowie alle übrigen Stellen, die mit Geflüchteten zu tun haben, an einem Ort konzentrierte. Statt vieler Termine an verschiedenen Orten gab es so für jede*n Geflüchtete*n nur einen einzigen, dreistündigen Termin.

Dadurch hat Weimar nicht nur das Ankommen für Geflüchtete übersichtlicher und barrierearmer gestaltet, sondern auch Arbeitszeit für ihre überlasteten Mitarbeitenden gespart. „Wir haben uns von unserer eigenen Bürokratie nicht schrecken lassen“, sagte Bürgermeister Ralf Kirsten dazu. Geholfen habe dabei, dass in Weimar bereits zahlreiche Menschen mit ukrainischen Wurzeln leben, die bei den Verwaltungsangelegenheiten dolmetschen konnten.

Gefahr von Ungleichbehandlung und Rassismus

Laut der UkraineAufenthÜV vom 7. März können Ukrainer*innen mit Wohnsitz in der Ukraine, aber auch Ausländer*innen, die sich am 24.02.2022 in der Ukraine aufgehalten haben, nach Deutschland einreisen und sich in Deutschland aufhalten und arbeiten. Diese Regelung wurde zuerst bis zum 31. August und danach bis zum 30. November verlängert. Dass damit kurz- sowie langfristig eine Ungleichbehandlung von Geflüchteten einhergehe, wurde in der Diskussionsrunde, an der auch zahlreiche Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen teilnahmen, ebenfalls thematisiert.

Petra Steffan warnte vor der „gesellschaftlichen Sprengstoffwirkung“ dieser Ungleichbehandlung und forderte „niedrigschwellige Informationsangebote, um alle zu integrieren“. Manuela Andrich wiederum schlug vor: „Es ist unfassbar, was die Stadt Leipzig geleistet hat; warum machen wir das nicht auch für andere?“.

Fazit

Die Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen fünf ostdeutscher Städte zeigte, dass es weder einen einheitlichen Handlungsplan für die Versorgung und Integration von Geflüchteten gibt, noch zeigten sich die Kommunen als gut vorbereitet für zukünftige Ereignisse dieser Art. Gleichzeitig rechneten alle fünf Kommunalvertreter*innen mit einer Fortsetzung des Ukraine-Krieges und damit verbunden mit weiteren Geflüchteten im Herbst und Winter.

Einig waren sich alle darin, dass die Unterstützung der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft dringend nötig sei, denn diese seien nicht so stark an Bürokratie gebunden und könnten daher schneller handeln. Allerdings hatte bisher nur der Leipziger Stadtrat eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Vereine, die im Bereich der Geflüchtetenhilfe tätig sind, beschlossen.

DaMOst e.V. unterstützt engagierte migrantische Vereine

Als Dachverband organisiert DaMOst u.a. Austauschtreffen, damit Engagierte ihr Wissen teilen und gegenüber der Politik geschlossen auftreten können. Bisher fanden drei dieser Austauschtreffen sowie die Online-Podiumsdiskussion statt. Weitere Treffen sind in Planung.
Darüber hinaus bündelt DaMOst auf seiner Internetseite Informationen zu deutschlandweiten sowie Bundeslandspezifischen Unterstützungsangeboten für Geflüchtete aus der Ukraine. Gefördert werden diese Bemühungen im Rahmen des Projektes „Brücke4UkraineSolidarity“, das vom Bundesministerium des Inneren und für Heimat gefördert wird sowie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

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