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Neuigkeiten

27.09.2021

Karamba Diaby im Interview mit 'MigOst'

Wie können Ostdeutsche mit Migrationsgeschichte bzw. of Color sichtbarer gemacht werden? Welche Rolle spielen Vorbilder? Und was macht eigentlich echte „Ossis“ aus?

MigOst-Mitarbeiterin Katharina Warda hat darüber mit Dr. Karamba Diaby gesprochen. Der Bundestagsabgeordnete und SPD-Politiker unterstützt unser Projekt 'MigOst' als einer von sechs Beiräten mit seiner Expertise und seinen Kontakten.

Katarina Warda:

Lieber Karamba Diaby, was macht dich zu einem "waschechten Ossi", wie du selbst sagst?

Karamba Diaby:
Das stimmt, ich betone das gerne: Ich bin ein wachechter Ossi. Das ist ein Teil meiner Identität. Ich bin außerdem Chemiker, Bildungspolitiker, Sozialdemokrat, Familienvater, Kleingartenliebhaber,– das alles bin ich. Und ich bin eben auch ein Ossi, ein waschechter Ossi.

Über ein Stipendium kam ich seiner Zeit in die DDR und studierte Chemie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Damals stand für mich das Studieren im Vordergrund. Ich war frei von finanziellen Sorgen, konnte studieren und habe in Halle viele Menschen neu kennenlernen können. Als dann kurz darauf die Mauer fiel, war die Situation für uns internationale Studierende dann von Unsicherheit geprägt: Für uns war unklar, wie es weitergehen würde.
Auch ich machte mir damals viele Gedanken, als gerufen wurde: Wir sind das Volk. Gehöre ich auch dazu?
Viele Entwicklungen wurden in der Zeit der friedlichen Revolution angestoßen und vieles änderte sich für die Menschen im Osten grundlegend von einem Tag auf den anderen. „Ossi“ bedeutet für mich deshalb auch, dass ich diese Erfahrung des Umbruchs mit den Menschen im Osten teile.

Letztlich waren dann die Menschen in Halle entscheidend, die mir das Gefühl gegeben haben, willkommen und zu Hause zu sein. Ich wohne nun seit über 30 Jahren in Halle und habe die Stadt nie länger als vier Wochen verlassen.

KW: Du bist 1985 aus dem Senegal in die DDR gekommen. Du hast in Halle studiert und promoviert. Heute bist du Bundestagsabgeordneter für die SPD. Damit bist du nicht nur der erste in Afrika geborene Schwarze Bundestagsabgeordnete in Deutschland, sondern auch als Schwarzer Ostdeutscher sichtbar. Menschen, Geschichten und Stimmen wie deine fehlen bis heute im öffentlichen Bild Deutschlands und vor allem Ostdeutschlands.

Was braucht es, um mehr Ostdeutsche mit Migrationsgeschichte bzw. of Color sichtbar zu machen?

KD: Ganz wichtig sind zum einen Vorbilder, die selbst eine Migrationsgeschichte haben oder selbst PoC sind.
Dabei sind nicht nur die Menschen von heute relevant. Auch Personen aus der Geschichte können solche Vorbilder für junge Leute sein, sich selbst für die Gesellschaft zu engagieren.
Die Geschichten dieser Vorbilder sollten meines Erachtens in der Öffentlichkeit viel häufiger eine Plattform bekommen. Denn gerade junge Menschen brauchen Vorbilder, die auch gegen Widerstände, die Welt verbessert haben.
In persönlichen Gesprächen erfahre ich immer wieder, wie wichtig es ist, dass junge Menschen Personen in der Öffentlichkeit sehen, die sie inspirieren, sich in ganz unterschiedlichen Bereichen einzubringen. Politik ist nur ein Bereich. Sport, Kunst und Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Ehrenämter jeglicher Art könnte ich auch nennen.
Eine großartige Arbeit leisten hier auch zahlreiche NGOs, Verbände und Organisationen. Die Vernetzung der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen halte ich auch für eine zentralen Ansatz, um mehr Vielfalt in der Gesellschaft und in der Öffentlichkeit zu erreichen.
Und ich bin der Überzeugung: Vielfalt und Diversity sind für uns alle und überall ein Gewinn.

KW: Wie nutzt du deine Stimme? Was möchtest du anderen mitgeben?

KD:
Die Politik ist mein persönlicher Weg, mich für gesellschaftliche Fragen stark machen zu können. Themen wie gleiche Chancen auf gute Bildung für alle, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, bürgerschaftliches Engagement, Vielfalt und Toleranz liegen mir sehr am Herzen.
Im Bundestag und im Wahlkreis mache ich mich für diese Themen stark, kann Gesetze anstoßen und mitgestalten, mich für die Förderung von Projekten und Initiativen einsetzen und den Bürger:innen ein verlässlicher Ansprechpartner sein.
Meine Reichweite nutze ich zudem auch in den Sozialen Medien: In Themenwochen, wie dem Black History Month mache ich z. B. auf die Geschichte und Gegenwart Schwarzer Menschen in Deutschland aufmerksam.
Das ist mein Weg, den ich seit 2013 als Bundestagsabgeordneter gehe. Ich möchte aber alle motivieren, ihren eigenen Platz und ihre Aufgabe zu finden. Wir alle können als Einzelpersonen viel und zusammen noch mehr erreichen.


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